„Ein Tourist fordert.

Ein Pilger dankt.“

Unbekannt

Da war er plötzlich. Dieser erste Moment. Alles passte ganz genau. Meine Stimmung, das Wetter, die Umgebung, die Geräusche, sogar der Geruch. Ich fühlte mich als Pilger, nicht mehr als einfacher Wanderer.

Am Dienstag sind wir in Wetzlar vom Rothaarsteig auf den Camino (Jakobsweg) gewechselt. Unser erstes „Luftholen“ ist erfolgreich verlaufen und die Ausrüstung hat 160 Kilometer bestens gehalten. Jetzt ändern sich die Wege. Nicht mehr auf einsamen Pfaden, sondern viel über breite Wald- und Wiesenwege führt uns die gelbe Muschel auf blauem Grund Richtung Santiago de Compostella. Dabei wandern wir viel durch kleine Dörfer abseits der Lahn. Diese Wegführung geht darauf zurück, dass die früheren Pilger und Händler den sumpfigen Talgrund mieden und verstärkt auf den Höhenzügen wanderten.

Wegführung jakobsweg
Lahn-Camino
Braunfels Wandern europa
Braunfels
Wetzlar wandern
Wetzlar

So richtig wie Pilger fühlen wir uns jedoch noch nicht. Zwar folgen wir den alten Pfaden, haben unsere Pilgerausweise im Rucksack und die ersten Stempel bereits gesammelt, doch irgendwie sind wir auch nach zwei Tagen noch nicht angekommen auf dem Camino. 

Jakobsweg Symbol beim wandern Europa
Runkel am jakobsweg
Runkel

Viele Menschen, denen wir begegnen, fragen uns was das Ziel unserer Reise sei. Mit der Antwort „Santiago de Compostella in Spanien“ rechnet niemand. So entstehen schnell Gespräche über unsere Reise. Obwohl es für uns eigentlich keine Reise ist, sondern eher ein Lebensabschnitt, in dem wir einfach unterwegs sind. Dabei gewöhnen wir uns schnell an die Rucksäcke und die wenigen Sachen, die wir dabei haben. Auch die Suche nach einem Schlafplatz wird immer einfacher. Viele Kirchen haben kleine Jugendräume, in denen wir schlafen dürfen. Diese sind ein absoluter Segen auf unserem Weg.

Dom von limburg
Limburger Dom
Kirche am jakobsweg
Kirche Langhecke
Gasse Limburg europa wandern
Straße Limburg
Jugendraum Runkel Wandern
Jugendraum
Hase auf weg
Wanderweg

Am Dritten Tag auf dem Camino und dem 11. insgesamt, erlebte ich dann etwas, das mich auch innerlich zum Pilger werden lies.

Wir liefen gerade nach Villmar, eine der ältesten Städte an der Lahn, als das Wetter umschlug und es nach Regen aussah. Der prachtvolle Kirchturm schien nicht fern und so beschlossen wir der Kirche einen Besuch abzustatten. Der Regen setzte gerade ein, als wir durch die kleine Seitentür eintraten. Und plötzlich stimmte einfach alles. 

Kirche villmar
Villmar kurz vor dem Regen

Der Geruch von kalten Mauersteinen lag in der wenig bewegten Luft. Gedämpft hallten unsere Schritte durch die Stille des Kirchenschiffes. Darauf bedacht keinen unnötigen Lärm zu machen stellte ich meine Wanderstöcke vorsichtig an die Seite und schritt langsam auf den großen Altar zu. Mein Blick schweifte über mir unbekannte Heilige, während nur unsere Schritte zu hören waren. In diesem Moment überkam mich eine tiefe Dankbarkeit für all die Menschen, die uns die letzten Tage geholfen hatten. Dankbarkeit über so viel Nächstenliebe, die wir erfahren durften.

Altar villmar
Altar mit Jakobus (rechts)

In diesem Moment wurde aus einem einfachen Wanderer, ein dankender Pilger.

Dankbar sind wir für Heike, Muhsin, Therese und Theo, die uns zu sich eingeladen haben, obwohl wir Fremde waren.

Dankbar sind wir für die Kirchengemeinden in Wetzlar, Langhecke und Runkel, die uns erlaubt haben in ihren Räumlichkeiten zu übernachten.

Dankbar sind wir für die Menschen am Wegesrand, die uns aufgemuntert und Mut zugesprochen haben. Im Besonderen Holger, der uns viel über Wildkirschen und seinem Ringen mit Gott erzählt hat und der alte Mann, dem nach langer Überlegung noch der Weg zur nächsten Schutzhütte im Wald eingefallen ist. 

Wir sind gerade mal zwei Wochen unterwegs und Wir sind bereits voller Dankbarkeit!

Wofür bist du unterwegs dankbar?

Was füllt dein Herz mit Dankbarkeit?

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Heike und Muhsin

    Hallo Franzi, Hallo Soenke,
    nichts ist umsonst, alles hat immer einen Sinn. Manchmal erschließt er sich einem erst später, manchmal sieht man es aber auch sofort. Die Begegnung mit Euch war für uns eine Bestätigung: Offenheit stößt auf Offenheit und Vertrauen auf Vertrauen. Wir wünschen Euch für Eure Reise viele gute Erfahrungen und gesunde Füße.
    Wir würden uns freuen, wenn Ihr uns nach Eurer Reise Eure Geschichten erzählt. Ihr seid immer herzlich willkommen. Heike und Muhsin

    1. Herr Hut

      Danke für diese ermutigenden Worte! Wir sind mittlerweile in Lahnstein am Rhein angekommen und sind überwältigt von dem, was wir bisher erleben durften. Soehnke hat sich leider zwei Blasen gelaufen, die mittlerweile am verheilen sind. Dennoch genießen wir jede Stunde und jede Begegnung unterwegs.

      Wir werden auf die Einladung von euch zurückkommen und freuen uns jetzt schon darauf!
      Wird dann aber eher Sommer/Herbst 2021 🙂

      Beste Grüße vom Jakobsweg,
      Franzi und Soehnke

  2. Simone Fessner

    Liebe Franzi, lieber Söhnke,

    Wir begleiten euch in Gedanken und Gebeten und wünschen euch eine wundervolle Zeit.

    Gestern erst hat Benita mal wieder die Handbewegung gegen Wespe alla Franzi gemacht. Da denken wir immer an euch.

    Gruß und Kuss,

    Simone, Axel, Maja und Benita

    1. Herr Hut

      Ihr Lieben,

      Wie schön, dass ihr auf unseren Blog gestoßen seid.
      Auf unserer Reise kommen immer wieder neugierige Wespen und Hornissen, die das Essen riechen.
      Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich diesen „Wespen-Move“ hier schon anwenden musste.
      Genial, dass ihr das auch noch macht!

      Liebe Grüße vom Jakobsweg,
      Franzi und Soehnke

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