„Ruhe hat man erst, wenn man aufhört nach ihr zu suchen.“

Jensen

Uhren sind für mich Fluch und Segen zugleich!

 

Durch meine Arbeit als Lehrer bin ich sehr stark auf die Einhaltung von bestimmten Zeiten getrimmt. Der Unterricht muss zu einem bestimmten Zeitpunkt anfangen. Die Stunde zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhören. Dazwischen, muss ich die Zeit so einteilen, dass diese am besten von den Schülern genutzt werden kann. Oft fällt der Blick daher auf die Uhr am Handgelenk oder die gestellte Magnetuhr* für die Schüler. In Gedanken wird die noch verbleibende Zeit überprüft. Ist alles im Plan komme ich innerlich zur Ruhe, da ich weiß, dass wir sicher und pünktlich am Ziel ankommen werden.

 

Auf dem Jakobsweg ist dies ähnlich, jedoch mit ganz anderen Auswirkungen.

„Der Weg ist immer besser als die schönste Herberge.“

Miguel de Cervantes Saavedra

Ganz langsam macht sich hier in Frankreich der Herbst bereit. Die Blätter der Maronenbäume und Farne der Region Limousin verfärben sich braun. Unsere Schuhe rascheln immer öfter durch abgefallenes Laub, während in den Wäldern unaufhörlich die Eicheln und Bucheckern fallen. Die Temperaturen werden Nachts deutlich kühler und die Sonne lässt sich immer später erst blicken. Alles erinnert uns an die herbstliche Wanderung auf dem Forststeig.

Durch unseren täglichen Rhythmus sind wir meist schon vor Sonnenaufgang auf dem Camino. So können wir diese besonderen Stunden des Morgens voll genießen und über die Schönheit der Natur staunen.

Die angenehme Kühle hält leider nicht lange an. Mittags steigen die Temperaturen konstant über 30°C. Ein sonderbarer Kontrast zwischen Morgen und Mittag. Für uns ist es daher wichtig, gerade am Morgen gut voran zu kommen, um das kühlere Wetter zu nutzen. Mein Blick fällt dabei immer wieder auf meine Casio-Uhr*

 

Werden wir die geplante Strecke in der entsprechenden Zeit schaffen? Wie viel km/h laufen wir derzeit im Durchschnitt? Wann werden wir dann ungefähr am Etappenziel sein?

 

Gedanken, die mir einst Ruhe brachten, nehmen sie mir nun.

Innerlich verspüre ich diesen Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt am Ziel zu sein. Nicht zu viel Zeit auf dem Weg zu verbringen, um Nachmittags irgendwo Entspannung und Ruhe zu finden. Die Zeit am Nachmittag, will ich nutzen, um Tagebuch zu schreiben, um einzukaufen, zu kochen, und und und…. Ich plane gedanklich den Tag und die Zeit.

 

Dabei bin ich eigentlich von nichts getrieben. Hier endet keine Schulstunde, es muss kein bestimmtes Thema in vorgegebener Zeit behandelt werden und ich muss auch nicht alles verstehen, was ich unterwegs sehe.

Typische Landschaft in Limousin

Ich lerne, dass es hier anders ist als im Unterricht. Ich habe keinen Einfluss auf den Weg, die Höhenmeter, die Landschaften und das Wetter. Außerdem bin ich nicht alleine unterwegs. Meine treue Gefährtin Frau Locke ist immer mit dabei und läuft genau wie ich den gleichen Weg. Auch wenn sie ihn anders wahrnimmt, andere Dinge am Wegesrand entdeckt und die Abschnitte unterschiedlich genießt, sind wir doch auf dem gleichen Weg.

Am Dienstag kam mir dann ein indianisches Sprichwort in den Sinn:

 

“Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“

 

Genau so war es auch. Mein ständiger Blick auf die Uhr und die Verkündigung der voraussichtlichen Ankunftszeit hatte für Frust gesorgt. Entnervt nahm ich meine Uhr vom Handgelenk und verstaute sie im Deckelfach meines Rucksacks. Ein seltsames Gefühl ohne Uhr, ohne Zeit, zu laufen. Hin und wieder ertappte ich mich dabei auf mein Handgelenk zu schauen. Alles was ich jedoch sah, war der weiße Abdruck der Uhr, die ich viel zu lange getragen hatte.

Ein Esel mitten auf der kleinen Landstraße.

Seitdem trage ich sie nur am Abend und am Morgen. Unterwegs habe ich sie nicht mehr an und merke, wie ich innerlich entspannter bin. So geht es mal schneller, mal langsamer Schritt für Schritt weiter.

 

Ich habe aufgehört nach der Ruhe zu suchen und sie gefunden.

Auf diese Weise haben wir mittlerweile Limoges in der wunderschönen Region Limousin erreicht. Trotz voller Herberge, geschlossenem Campingplatz und einer stressigen Busfahrt in einen kleinen Nachbarort, um dort die Nacht zu verbringen, sind wir guter Dinge und freuen uns über die Zeit, die wir gemeinsam genießen dürfen.

Bist du entspannt beim Wandern

oder fällt dein Blick oft auf die Uhr?

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Franz

    Hallo ! guten Morgen an euch beide
    Toller Bericht, Fotos und Beschreibung von Hut ! und wie immer unvergessliches Lächeln von Locke
    Danke,
    Franz
    freue mich schon auf den nächsten Beitrag,

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