„Der große Reichtum unseres Lebens, das sind die kleinen Sonnenstrahlen, die jeden Tag auf unseren Weg fallen.“

Hans Christian Andersen

Überall, hinter jeder Wegbiegung, Hügelkuppe oder Brücke wartet eine neue Geschichte auf uns. Manchmal sind es kleine, kurze Geschichten, die wir nicht zu Ende erleben können. Das tropfende Eis eines Kindes, der bunte VW Bus, der an uns vorüber fährt, der alte Jogger, der die Wanderkarte aufmerksam studiert oder die zwei Pilger, die uns entgegengelaufen kommen. Die Geschichten gehen weiter, bevor wir sie erfahren können. Andere Geschichten erleben wir hautnah mit, sind Teil von ihnen:

Am Dienstag sind wir nach Lahnstein gekommen. Ein erstes Zwischenziel für uns! Für Pia und ihren Sohn Leon war Lahnstein das Ziel einer langen Wanderung. Wir haben die beiden zwar schon in Diez in der Altstadt gesehen, richtig getroffen jedoch erst in Nassau. Mit dem Erreichen von Lahnstein ist Leon mit nur 10 Jahren die Lahn von der Quelle bis zur Mündung gelaufen! Er erzählte uns begeistert von allem, was er bisher erlebt hat. Von Schleusen und Staumauern, selbstgepressten Münzen, bis hin zu Pferden, die sich als Zebras tarnen. Diese kindliche Begeisterung für die Dinge am Wegesrand hat uns fasziniert. Begeistert hat uns auch der Geschmack von Lasagne und Döner, den die beiden uns ermöglicht haben. Danke dafür!

Jetzt laufen wir seit mehreren Tagen an der Mosel, die sich an Weinbergen vorbei windet und eine wunderschöne Landschaft geformt hat. Auch hier erleben wir eine Fülle an wunderbaren Begegnungen und Geschichten. 

Ohne es zu wissen führte uns der Weg vorbei an DER deutschen Sehenswürdigkeit schlecht hin: Der Burg Eltz. Die im 12. Jahrhundert erbaute Burg ist seit 33 Generationen im Familienbesitz und dank geschickter Diplomatie nie erobert oder zerstört worden. 

Die Besuchermassen rund um die Burg wirkten befremdlich auf mich. Eine solche Fülle an Personen, die Bilder machten, sich in fremden Sprachen unterhielten und in langen Schlangen vor dem Eingang warteten, zeigten mir, wie entspannend unsere Pilgerung im Vergleich ist. Wir müssen nur gelegentlich an der Kasse im Supermarkt anstehen, haben ansonsten die Schönheit direkt um uns herum. Aus einiger Entfernung konnten wir dann die Burg so richtig genießen.

Mit uns genoss ein Pärchen aus Belgien den kühlenden Schatten und die Ruhe. Auf Englisch klappte die Verständigung richtig gut und wir tauschten uns über den Jakobsweg, unsere Ausrüstung und bereits bereiste Länder aus. Es war eine wahre Freude Marianne und Andrés Geschichten zuzuhören und mit ihnen in die fernen Länder einzutauchen. Sie waren bereits in Ländern wie der Türkei, Kroatien oder Nepal wandern und ermutigten uns, ebenfalls fremde Länder ohne Angst zu bereisen. Wie gerne hätte ich mehr Zeit mit diesen beiden faszinierenden Menschen verbracht. Bestimmt kommen wir eines Tages zu ihnen nach Belgien um zuzuhören, wie die Geschichten ausgingen.

So manche Begegnung auf dem Camino ist nicht auf einen Moment begrenzt. Den kompletten Freitag und Samstag haben wir mit Michael verbracht. Ihn haben wir bereits kurz vor der Burg Eltz zum ersten mal getroffen. Er hat einige Tage frei und nutzt diese Zeit, um den Mosel-Camino zu gehen. Wir freuen uns sehr über die Gespräche und die Gemeinschaft mit ihm. Zudem treibt er uns enorm an, da er deutlich schneller unterwegs ist. Dies ist nicht verwunderlich, da er aus dem Taunus kommt und das Auf und Ab gewohnt scheint. Besonders haben wir die kühlen Getränke in Beilstein mit ihm genossen, die er uns zur Feier der Tages ausgegeben hat. Danke dafür!

Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie wenig wir doch von unseren Mitmenschen wissen. Wie wenig Zeit investieren wir in die Gespräche mit Fremden! Jeder Mensch trägt eine Fülle an Geschichten und Erfahrungen mit sich und doch, sind uns die meisten von ihnen egal. Es ist schön, sich auf sein Gegenüber zu konzentrieren ohne Zeitdruck, Stress und Ablenkung. Hier erhalten wir Neuigkeiten nicht vom Handy, dem Fernseher oder Radio, sondern aus den Gesprächen mit den Menschen.

Es sollte hier noch erwähnt werden, dass frei nach dem Spruch „no pain, no glory“, wir bisher von Schmerzen nicht ganz verschont geblieben sind. Herr Hut hat sich auf dem Lahn-Camino mehrere heftige Blasen gelaufen, die mit seinen alten Wanderschuhen zusammenhingen. Die Schuhe hielten nicht mehr richtig dicht und trockneten nur sehr langsam. In Koblenz, nahe Lahnstein, haben wir kurzerhand neue Schuhe gekauft. Diese sind so gut, dass die Blasen komplett zurückgegangen sind! Schmerzfreies Laufen ist für ihn jetzt wieder möglich. Die alten Schuhe haben wir einfach an die nächstbeste Hüttentür gehängt.

Ich selbst musste kurz zum Orthopäden, da mein Knie (seit dem Rothaarsteig) bei starker Belastung bergab extrem geschmerzt hat. Nach der Untersuchung stand fest, dass ich einen angeborenen anatomischen Fehler habe, wodurch die Kniescheibe seitlich rausspringt und dies die Schmerzen verursacht. Jetzt trage ich eine schicke Bandage am Knie, mit der ich selbst bei starkem Bergab keine Schmerzen habe. Welch eine Befreiung!

Besonders dankbar sind wir in dieser Woche für die Kirchengemeinden in Treis, mit ihrer überaus freundlichen und liebevollen Mitarbeiterin, die uns so herzlich Willkommen geheißen hat. Für die Kirchengemeinde in Bullay sind wir ebenfalls dankbar, die uns einen Raum in ihren Gemeindehäusern zur Verfügung gestellt hat. Außerdem für Philipp aus Bullay, der uns mit seinem geschichtlichen Wissen über die örtliche Kirche mit uns teilte. Danke auch für die „kleine“ und Kirchenführung.

 

Es ist eine Freude wie wir auf dem Weg versorgt werden!

Über welche Begegnung der letzten Woche hast du dich besonders gefreut?

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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Michael

    Hallo Franzi und Soehnke,
    auch ich habe die Tage mit Euch sehr genossen!
    Der Abschied an der Lateinschule fiel mir richtig schwer.

    Ich wünsche Euch eine gute Reise und immer eine sichere Unterkunft.

    Bon Camino

    LG Michael

    1. Herr Hut

      Hallo Michael,
      es war uns eine Freude gemeinsam einen Teil des Caminos zu gehen. Du wist immer unser erster Mitpilger sein. Dir ebenfalls ein Buen Camino für deinen weiteren Weg, wo auch immer dieser verlaufen mag. Wir werden uns bestimmt im Taunus wieder begegnen.

      Beste Grüße

    1. Herr Hut

      Gerne! 🙂

  2. =Luisa=

    Euch beide weiterhin gute Reise, bereichende Begegnungen und viel Freude!!!

    1. Herr Hut

      Vielen Dank Luisa 🙂

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