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  • Beitrag veröffentlicht:21. Oktober 2020

„Be a Voice, Not an Echo!“

– Albert Einstein

Das Pilgerradio – so nennen wir die Informationsfetzen und Gerüchte, die von Pilger zu Pilger weitergegeben werden. Sei es am Abend in der Herberge oder unterwegs am Wegesrand. Man tauscht sich aus, erzählt einander Geschichten, plant die weiteren Etappen oder berichtet von guten Unterkünften.

Auf diese Weise erfährt man so manches über Pilger, die man noch nie zuvor getroffen hat, erhält Empfehlungen für günstige und gute Herbergen und hört beängstigende Neuigkeiten über die Verbreitung von Corona (Covid).

Über Corona spielte das Pilgerradio die letzten Tage eine menge Informationen.

„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben,

einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.”

– Astrid Lindgren, Tagebuch 1964

“Burgos ist geschlossen! Keiner kommt mehr rein!“ – „Burgos schließt morgen, keiner kommt dann mehr raus!“ – „In Burgos kommt es Dienstag 00:00 Uhr zum Lockdown!“ – „Die Herbergen in Burgos werden alle schließen!“ 

Eine Fülle an Informationen strömt auf uns und die anderen Pilger in der Herberge ein. Es ist Sonntag Abend und wir erfahren über das „Pilgerradio“ von der baldigen Schließung Burgos. Einige sind wild entschlossen die 64 Kilometer bis nach Burgos an zwei Tagen zu laufen, um rechtzeitig vor dem Lockdown Burgos hinter sich zu lassen. Für uns kommt dies nicht in Frage. Doch was tun?

Um sicher zu gehen, ob diese Informationen / Gerüchte der anderen Pilger stimmen, entschließen wir uns, in Burgos bei der Polizei anzurufen. Dort sagt man uns, dass es noch keine offiziellen Informationen gibt. Auch die Pilgerherberge in Burgos kann uns nichts Genaueres mitteilen. Also keine Gewissheit.

Wir entschließen uns den nächsten Tag abzuwarten und die Etappen so zu planen, dass wir in Burgos übernachten. Entspannt und ohne große Eile machen wir uns auf die Etappe nach Atapuerca durch eine wundervolle Landschaft. Vorbei an dem einsam gelegenen Kloster San Juan de Ortega, durch farnbewachsene Eichenwälder und über goldene Grasebenen.

Noch 548km nach Santiago
Brandschneise im Eichenwald
Kloster San Juan de Ortega
Endlich! Das Kloster in Sicht!
Locker leicht den Weg entlang.
Graslandschaften nach San Juan de Ortega.

Doch auch in Atapuerca spielt das „Pilgerradio“ wieder ein Programm über Burgos:

„Man darf durch Burgos laufen, aber nicht dort übernachten.“ – „Ich habe gehört Burgos geht heute Nacht komplett zu.“ – „Burgos kann man ganz normal verlassen, wenn man Pilger ist.“

Ein erneuter Anruf bei der Polizei gibt uns nur die Gewissheit, dass wir Burgos auf jeden Fall verlassen können sollten. Wir halten an unserem Plan fest, Dienstag nach Burgos zu laufen.

Pilgerherberge in Atapuerca
518km nach Santiago
Atapuerca kurz vor Burgos
Rotes, karges Land kurz vor Santo Domingo.
Beeindruckende Wandmalerei.
Pause in Santo Domingo.

Jetzt sind wir in Burgos. 20 Kilometer durch strömenden Regen, mal auf schlammigen Feldwegen, dann durch das triste Industriegebiet von Burgos. Keine Polizei hat uns angehalten, keine Absperrungen hielten den Verkehr auf. Alles schien ganz normal. Man grüßte uns mit „Buen Camino“ und half uns sogar, den Weg zu der städtischen Herberge zu finden. Zur Sicherheit haben wir nochmal bei der Polizei angerufen und uns bestätigen lassen, dass wir als Pilger morgen früh die Stadt verlassen können. 

Diese Informationen haben wir auch an andere Pilger weitergegeben, in der Hoffnung, dass das „Pilgerradio“ diese weitertragen wird. Genau wie in jedem anderen Alltag auch, sollte man kein reines Echo sein, sondern eine Stimme, die genaue und fundierte Informationen und Tatsachen verbreitet. Dennoch ist das „Pilgerradio“ gut, denn sonst hätten wir die aktuelle Situation auf unserer Strecke wahrscheinlich gar nicht richtig mitbekommen.

 

Von dieser Situation, ist hier im Herzen von Burgos nichts zu spüren. Alles fühlt sich ganz normal an. Wir besuchen die Kathedrale und genießen die Pilgermesse. Danach erfahren wir von den Hospitaleros, dass ab morgen (Mittwoch) kein Pilger mehr in Burgos übernachten darf. Wir sind also die letzten Pilger in Burgos für eine unbestimmte Zeit. 

Kathedrale von Burgos

Irgendwie krass, dass sich am Ende alles fügt. Die Echos des Pilgerradios hatten grundlegend Recht, doch die Details ware verfremdet. So gehen wir entspannt weiter, gelben Pfeilen und Muscheln folgend nach Santiago de Compostela und weiter nach Vigo.

Sei eine Stimme, kein Echo!

Hinterfrage die Informationen, die du weitergibst!

Danke! 

Ein besonderer Dank geht an Heike, Muhsin, Christine und Dirk für ihre finanzielle Unterstützung.

 

Dank euch können wir etwas entspannter der sich verändernden Situation im Norden Spaniens entgegengehen!

19.10.2020 - vor San Juan de Ortega

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. =Luisa=

    Gott mit euch ihr Lieben!!!

  2. Alegría

    San Juan De Ortega…..als ich 2004 dort ankam, hatte ich einen ganzen Tag in strömendem Regen durch die Montes de Oca hinter mir…. es war der nässeste Tag auf meiner Wanderung 🙂 im Kloster , war es kalt und klamm… aber der alte Mönch, der die Pilger empfing, kochte uns Allen eine einfache Zwiebelsuppe, die ganz wunderbar wärmte. Am nächsten Morgen war das schlechte Wetter vorbei und beim Losgehen hörte ich eine junge Irin, die mit einer unbeschreibelich klaren und warmen Stimme ein Folkslied sang…… danke für eure Eindrücke, die mir meine eigene Wanderung wieder ganz lebendig aufschimmern lassen.

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