„So Gud Isd Di Weld.“

– Emma Hollmann

Fünf Wörter bilden einen kurzen Satz, der in seiner Gesamtheit so zutreffend und bezeichnend ist, wie kaum ein anderer. Ein Satz, der wie eine Antwort klingt. Eine Antwort auf die Frage, wie gut die Welt wohl ist oder sein mag. Und obwohl er eine Antwort ist, ist er doch ohne Inhalt. Da ist keine Begründung oder Beschreibung, kein Argument, dass überzeugen möchte. Es scheint vielmehr, als müsse ich selbst hinausgehen, mich an Orte dieser Welt stellen, meine Augen schließen und mit meinem ganzen Sein spüren, was diese Welt ist. Und wenn ich dann die Augen öffne, den Wind spüre, staunend umhersehe, regt sich in mir etwas, dass mir sagt:

„Schau, so gut ist die Welt.“

„Willst du schnell gehen, geh allein.

Willst du weit gehen, geh mit anderen.“

– Sprichwort aus Afrika

Diese Momente erlebe ich gerade fast täglich. Ich bin überwältigt und erstaunt, von der ungeahnten Schönheit unseres Kontinentes, der für mich immer wunderbarer und eindrücklicher wird. Da ist kein langweiliges Europa, kein Gedanke daran, dass es an einem anderen Ort bestimmt besser wäre. Ich gehe und staune, wie gut es hier doch ist.

Unser Weg bis nach Porto Covo führt uns weiterhin auf umbezeichneten Wegen durch die küstennahe Landschaft Portugals. Mit Hilfe der Apps Maps.me und Mapy.cz folgen wir kleinen Wegen, die mal kleine Waldwege, mal überwucherte Trampelpfade auf steinigem Grund sind. 

Auf unbefestigten Wegen geht es voran.

Diese Pfade sind abenteuerlicher und herausfordernder, als die Wege , die wir bisher gegangen sind und bringen mich immer wieder an meine Grenzen. Nur gemeinsam können wir uns entlang des Kammes der Küstenfelsen durch dornige Hecken, Gestrüpp, wilden Rosmarin und anderen spitzblättrigen Pflanzen kämpfen. Stunde um Stunde winde ich mich mit meinem Rucksack durch die Zweige, bleibe immer wieder hängen, werde von helfenden Händen befreit und gehe langsam weiter. Nach einiger Zeit spüre ich die vielen Kratzer der Dornen auf meiner Haut nicht mehr, sondern bin nur darauf bedacht weiterzugehen.

Dabei springt unsere Standortmarkierung auf dem Handy nur Bruchteile vorwärts und ich erfahre, wie hart diese Welt sein kann. Zeitgleich zweifle ich an meiner Zurechnungsfähigkeit mir selbst solche Strapazen anzutun. Dann hebe ich den Blick und staune.

Beeindruckt und ehrfürchtig lasse ich meinen Blick über die Felsen gleiten. Zu meinen Füßen umspielt türkisfarbenes Wasser die Klippen. Die Sonne spiegelt sich tausendfach auf dem ruhigen Wasser. Vergessen sind die Strapazen, der Schweiß und die Schmerzen. Wir stehen zu viert hoch über allem und blicken uns um. „So gut ist die Welt!“, geht es mir durch den Kopf. Auch wenn nicht alles perfekt ist, manches weh tut und ich eigentlich nicht weiter möchte.

Doch weiter gehen wir. Erschöpft aber glücklich, bis in den Sonnenuntergang hinein. Nicht nur einmal, sondern mehrere Male. Dabei haben wir festgestellt, dass Sonnenuntergänge viele fasziniert. Menschen fahren mit ihren Fahrrädern und Autos an die Küste, um der Sonne dabei zuzusehen, wie sie den Tag in ein anderes Licht taucht. Farben, die man zuvor nicht wahrgenommen hat, werden sichtbar und lassen Vergangenes in einem anderen Licht erscheinen. Es werden Bilder gemacht, um zu zeigen, wie schön die Welt ist, bevor die Dunkelheit der Nacht kommt.

Für mich hat der Sonnenuntergang einige Tage später nicht viel romantisches. Wiedereinmal laufen wir über die Dämmerung hinaus und schauen der Sonne schweren Schrittes dabei zu, wie sie in der Weite des Meeres versinkt. Das Land bleibt im kühlen Schatten zurück. Der leichte Wind trägt langsam aber unerbittlich die letzte Wärme des Tages davon, während wir erschöpft unsere Rucksäcke abstellen und auf kleinen flackernden Flammen unsere Mahlzeit zubereiten. Die Zelte stellen wir windgeschützt hinter ein kleines Häuschen auf Holzbohlen auf, verkriechen uns in unsere Schlafsäcke und warten auf die wärmende Sonne des nächsten Morgens.

Seit Freitag sind wir ab dem Ort Porto Covo auf dem Fischerweg, auch Rota Vicentina genannt, unterwegs. Es tut gut, endlich einer Markierung folgen zu können, die einen zuverlässig die Küste entlangführt. Der Fischerweg verläuft in 13 Etappen 226 Kilometer entlang der schroffen und ausgesetzten Küste. 

Beginn des Fischerweges

Eine solche Landschaft habe ich bisher noch nicht durchwandert. Der Wind bläst und türmt hohe Wellen auf, die im Sekundentakt gegen die Klippen schmettern. Stündlich nagt das Meer an den Felsen, formt Buchten und hinterlässt bizarre Felsen in der Brandung. 

Wir laufen, stehen, staunen, schmecken die salzige Luft und stemmen uns gegen den Wind. Nach jedem Schritt könnte ich stehen bleiben und Bilder machen. Hinter jeder Kurve bietet sich ein neuer grandioser Blick. Stellenweise stehen wir zu viert da und schauen dem Spiel der Wellen zu, beschreiben uns gegenseitig was wir gerade sehen. Es fällt schwer alles in diesem Moment aufzunehmen, was das Auge sieht. 

Dann weht Gischt herüber, Salz legt sich auf meine Lippen und ich stelle wieder verblüfft fest, wie unglaublich glücklich ich bin. Hier zu stehen im Wind des Meeres, mich im Spiel der Elemente zu befinden und zu erfahren, wie gut die Welt ist. Keine Frage, das Salz brennt in den Augen, die Haut klebt und meine Beine sind müde. Keinesfalls ist alles einfach, nur toll oder angenehm und doch bin ich glücklich. Vielleicht bin ich auch deshalb glücklich, weil ich beides auf einmal im Einklang erleben kann.

So gut ist die Welt, oder wie Emma geschrieben hat: „So Gud Isd Di Weld“. Wer weiß, vielleicht hat sie absichtlich die Worte falsch geschrieben, einiges verdreht und den Satz auf eine Weihnachtskarte geschrieben. Für mich bedeutet dies, dass ich manchmal hinter die Fehler, den Frust, die Schmerzen, das Unverständnis und das Kopfschütteln schauen muss, um zu erkennen, dass trotz alledem, die Wahrheit bleibt: 

 

Die Welt ist nicht perfekt, aber gut und schön.

Wo oder wann kannst du sagen: „So schön ist die Welt!“ ?

21.01.2021 an der Atlantikküste
Emmas Weihnachtskarte

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