„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das,

was er schon ist.“

– Henry Ford

Hätte ich das jemals gedacht? -Nein!

Hätte ich gedacht, dass ich das könnte? -Nein!

Habe ich es getan? – Ja!

 

Wir haben es getan! Ohne meinen Hut, wäre ich nie losgelaufen, wäre nie auf diese verrückte Idee gekommen, einen großen Rucksack zu packen und loszulaufen. Ich wäre dort geblieben, zu Hause in dem vertrauten Umfeld. 

 

Aber ich habe etwas getan, was ich nie glaubte zu können:

 

Ich habe Frankreich komplett durchwandert! Jetzt bin ich eine Landdurchquererin!

„Die Natur ist der beste Künstler.“

Unbekannt

Ja, wir sind nicht mehr in Frankreich. Genauer gesagt befinden wir uns seit einigen Tagen nichtmetrischer in Frankreich. Die Gegend zwischen Frankreich und Spanien nennt sich „Euskal Herria“ – das Baskenland. Jene Region, die sich sowohl in Frankreich, als auch in Spanien erstreckt und seit vielen Jahren unabhängig sein möchte. Ein Land voller Berge und Schafsweiden, weißen Häusern mit roten oder grünen Fensterläden. Ein schönes Land, in dem auch endlich der Regen einmal Pause macht.

So konnten wir ohne schweißtreibenden Regenschutz (Regenhose, Gamaschen, Ponchos) die sichtbarwerdende Landschaft bestaunen.

 

Rückblick 07.10.2020:

Wir sind tatsächlich in den Ausläufern der Pyrenäen. Ich kann es kaum fassen, dass links und rechts von mir sich die Hügel und Berge dieses Gebirges erheben. Schafsglocken schallen von einem dieser grünen Hügel zu mir hinunter und mich packt eine innere Vorfreude. Nicht mehr lange und ich werde diese Berge überschreiten!

Das Wetter klart auf!
Stele von Gibraltar
Nebelwelt im Baskenland

Auf und ab geht es jetzt. Sanfte Hügelkuppen werden von uns überwandet und immer kleinere Ortschaften zeigen ihre Schönheit vor der Kulisse wolkenbehangener Berge. Unterwegs treffen wir neue Pilger. Manu aus Spanien und Quentin aus Frankreich. Manu ist über Paris gelaufen, Quentin im Süden Frankreichs über Le Puy. Gestern sind die verschiedenen Jakobswege an der „Stele von Gibraltar“ zusammengetroffen. Es ist eine Freude mit anderen Pilgern Zeit zu verbringen.

 

Oft trifft man sich bei Pausen am Wegesrand, unterhält sich kurz auf der Straße und geht dann sein eigenes Tempo weiter. Wir werden sie abends irgendwo in einer Herberge wiedersehen.

Pilger am Wegesrand

“Jetzt hast du es einfach geschafft“, geht es mir durch den Kopf. Gänsehaut läuft wie ein Schauer über meine Arme. Gerade habe ich einen langen Anstieg hinauf in eine kleine Stadt gemeistert. Jetzt stehe ich hier, kann es kaum fassen! Habe ich das echt getan? Ich hole tief Luft und mache die letzten Schritte durch die „Porte Saint-Jacques“, dem Eingang hinein nach Saint-Jean-Pied-de-Port – unser letzter Ort in Frankreich.

Porte Saint-Jacques

Dieser besondere Ort, Ausgang vieler Pilgerungen am Fuße des Passes über die Pyrenäen, flößt mir eine gewisse Ehrfurcht ein. Die alten Gassen, das Stadttor zur Altstadt und die alte Kirche sind stumme Zeugen vergangener Zeiten. Wir schlendern durch die Gassen und können es kaum glauben hier zu sein. Morgen werden wir Frankreich verlassen und Spanien auf 1400 Metern Höhe betreten. Irgendwie komplett verrückt!

Straßenzug in Saint-Jean-Pied-de-Port

Donnerstag 08.10.2020:

Mir stockt der Atem. Ich muss anhalten, mir bewusst machen wo ich gerade bin. Es ist nicht die Anstrengung des Weges oder die Höhe, sondern die Schönheit der Schöpfung um mich herum. Da sind blühende Heidepflanzen, zwischen denen Schafe weiden. Dahinter erheben sich steile Hänge vor dem blauen Himmel. Adler kreisen majestätisch in der Thermik und tauchen dann ins Tal hinab. Irgendwo in der Ferne, sind Pferde zu erkennen und ganz am Horizont die flache Ebene der Region Les Landes, durch die wir noch vor einer Woche gewandert sind. Dort kommen wir her. Doch der Weg führt uns weiter hinauf Richtung Spanien, Richtung Roncesvalles.

Seit dem Sonnenaufgang sind wir unterwegs und freuen uns an jedem Schritt, denn es scheint die Sonne. Kein Regen, keine Wolken, kein Nebel nimmt uns die Sicht. Eine reine Wohltat, bei diesem Wetter langsam an Höhe zu gewinnen! Wie konnte ich vor dieser Etappe Angst haben oder mir Sorgen machen? 

Getragen von einer Welle der Euphorie gehe ich vorwärts. Vergessen sind die letzten 5 Tage im Regen, das mühsame ankämpfen gegen den Wind und die Kälte. Meine Füße laufen wie von selbst, während ich nach links und rechts schaue, um das Panorama einzusaugen. 

Irgendwann sind wir am höchsten Punkt, auf ca. 1400 Metern angekommen. Noch vor einigen Stunden, stand ich am Stadttor von Saint-Jean-Pied-de-Port auf 180 Metern Höhe und fragte mich, wie der Tag wohl wird.

Jetzt bin ich in Roncesvalles, in einem alten Kloster und habe die Pyrenäen überwunden. Schon wieder etwas, dass ich gemacht habe…. Wie wird das wohl weitergehen?

Die nächsten 35 Tage werden wir damit verbringen nach Santiago de Compostela zu laufen. Mit uns einige andere Pilger, denn ab Roncesvalles sind es deutlich mehr geworden. Ein sehr ungewohntes Gefühl, nach Monaten des einsamen Pilgerns. Dabei sind derzeit „wenige“ Pilger unterwegs. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn „viele“ Pilger auf dem Camino sind. Mir reichen bereits diese wenigen, denn es fühlt sich voll an. 

Was hast du schon gemacht,

obwohl du es nie gedacht hättest?

08.10.2020 irgendwo in den Pyrenäen

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Gabriele

    Ich bin sooo stolz auf Euch! In Gedanken bin ich bei jeder Geschichte bei Euch. Eure kleine Visitenkarte mit Euren Gesichtern hängt in meinem Wohnwagen, direkt am Einstieg. Ich hab schon wieder Schluckbeschwerden vor Glückstränen.
    Ich freue mich so unendlich für Euch. Seid ganz lieb gegrüßt.
    Gabriele, die immer noch in Köln ist

    1. Herr Hut

      Hallo Gabriele,
      Wie schön, von dir zu hören! Wir hoffen dir geht es in Köln gut und du bereitest dich auf dein nächstes Abenteuer, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Wohnwagen, vor.
      Ganz liebe Grüße aus Puente la Reina,
      Franzi und Soehnke

  2. Jürgen und Karin

    Ihr Lieben!

    Gratulation! Ein weiterer Meilenstein ist geschafft, Ihr seid in Spanien und habt wahrscheinlich heute schon die Pyrenäengipfel zum großen Teil hinter Euch gelassen.

    Eure Fotos davon erinnern uns ganz intensiv an unsere eigenen Begegnungen mit dieser überwältigenden Landschaft in Nordostspanien. Vor allen Dingen können wir uns an die große Stille erinnern, die wir dort empfunden haben. Und die nur vom Rauschen des – im späten Frühjahr – warmen Windes gelegentlich unterbrochen wurde. Leider liegt dieses Erlebnis schon wieder einige Jahre zurück…
    Wahrscheinlich ist der Wind, den Ihr im jetzt aufkommenden Herbst verspürt, nicht so angenehm und warm. Aber nach Euren Berichten seid Ihr trotz aller Wetterwidrigkeiten der letzten Zeit noch immer motiviert, voller Energie und wohl auch neuer Euphorie.

    Wir hoffen, dass trotz der Pandemie Euer Camino in Spanien weiter unter einem guten Stern steht. Genießt die wunderschöne Landschaft im grünen Teil Spaniens!
    Wir denken an Euch!
    Jürgen und Karin

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