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  • Beitrag veröffentlicht:15. November 2020
  • Beitrags-Kommentare:2 Kommentare

„Es kommt nicht darauf an, wie eine Geschichte anfängt. Auch nicht darauf wie sie aufhört.

Sondern auf das, was dazwischen passiert.“

– Walter Moers, Die Stadt der träumenden Bücher

Wir haben begonnen, den Jakobsweg von Deutschland aus zu gehen, sind durch Frankreich gelaufen, haben die Pyrenäen überschritten, der Meseta getrotzt, Galicien betreten und haben kurz vor Santiago unfreiwillig stoppen müssen. Jetzt befinden wir uns in Moaña und werden hier die Zeit bis Weihnachten verbringen. Vielleicht können wir sogar noch vor Weihnachten den Jakobsweg beenden, vielleicht aber auch erst im neuen Jahr. 

Ich genieße diese Zwischenzeit bei unseren Freunden sehr. Ganz egal, wie wir begonnen haben und wie oder wann unsere Reise enden wird, es kommt auf die Zeit dazwischen an; auf die Zeit hier und jetzt in Moaña.

„Mit Worten über Worte sprechen zu wollen, das ist,
als würde man versuchen, 
mit einem Bleistift eben diesen Bleistift zu zeichnen…“

— Patrick Rothfuss, Der Name des Windes

Moaña ist eine kleine Stadt am Ria de Vigo gegenüber der Großstadt Vigo. Morgens höre ich durch das geöffnete Fenster neben dem Lärm der Straße auch das Kreischen der Möwen, die hier die Uferpromenade bevölkern. Aus dem Fenster kann ich mit etwas Geschick das Meer sehen (dafür muss ich mich aus dem Fenster lehnen und die kleine Gasse hinunterschauen). 

Blick aus dem Fenster: Ria de Vigo mit Muschelinseln

An das Gefühl, immer am gleichen Ort aufzuwachen, muss ich mich erst noch gewöhnen. Ebenso an den komplett neuen Tagesablauf und die schier endlose Zeit, die ich nun habe. Da wir nicht mehr jeden Morgen unseren Rucksack packen müssen, um die nächsten acht bis zehn Stunden einen Schritt vor den anderen zu setzen, bleibt viel Zeit für Frühstück, Mittag-, Abendessen und alles dazwischen. 

Was macht man mit so viel neugewonnener Zeit? Womit verbringt man den Tag, wenn man keine größeren Verpflichtungen hat?

Kreativität ausleben
Eine Kirche / Kathedrale...
...aus Lego bauen.
Neue Masken nähen
Frau Locke an der Nähmaschiene
Sehen doch perfekt aus!

Hier in Spanien ticken die Uhren etwas anders als in Deutschland. Da unsere Freunde Kinder haben, startet jeder Tag für uns mit dem Frühstück um 8:20 Uhr, sodass alle satt und pünktlich um 9:15 Uhr zur Schule kommen. Ja, die Schule startet hier erst um 9:15 Uhr. Dadurch verschiebt sich eigentlich alles andere auch. Das Mittagessen gibt es nach Schulschluss um 14:30 Uhr, Abendessen entsprechend um 19:30 Uhr und der „kinderlose“ Abend beginnt ab 21 Uhr. 

Nachdem ich mich an diese neuen Uhrzeiten gewöhnt hatte, konnte ich auch die Zeit dazwischen mehr und mehr genießen. Spielen mit meinem Patenkind, Spaziergänge an der Uferpromenade, Beobachtungen der Möwen am Hafenbecken und das Entspannen bei Kindermusik. Es ist schön, aber auch anstrengend, nach vier Monaten des ruhigen und langsamen Gehens nun mit verschiedensten Reizen überflutet zu werden.

Blick vom Ufer auf Vigo.
Kirche von Moaña
Ebbe
„Kunstwerke“ als Spielplatz.
Immer mit Maske
Spaziergang am Nachmittag

Gut, dass man auch in der Umgebung von Moaña neue Orte und Landschaften entdecken kann. Zu zweit oder gemeinsam mit allen, unternehmen wir Ausflüge innerhalb der Regionsgrenzen.  Obwohl wir bereits November haben ist das Wetter überraschend stabil und mild. Einige Wolken, dazwischen Sonnenschein und angenehme 14° bis 20° Grad bescheren uns wunderbare, aber auch seltsame, Novembertage.

Bachwanderung
entlang des Rio da Fraga
Sommerlicher Eukalyptuswald
Herbstliche Farben

So ganz verstehe ich es noch nicht, dass wir auf den „Winter“ zugehen, denn alles um mich herum fühlt sich nach Spätsommer an. Die Sonne scheint, Blumen blühen, die Menschen tragen T-Shirts oder sitzen im Schatten auf den Bänken im Park und blicken hinaus auf das glitzernde Meer.  Währenddessen überlegen wir, wie die Adventskalender dieses Jahr gestaltet werden sollen. Seltsam verwirrend und zeitgleich interessant, eine Weihnachtszeit ohne klirrende Kälte zu erleben und bei einer Wanderung am Cabo Udra, einem Kap ganz im Westen von Moaña, in der sanften Meeresbriese festzustellen, dass in zwei Wochen bereits der erste Advent ist. 

Cabo Udra zur Mittagsstunde

So erzählen wir die Geschichten von unserm Weg durch Frankreich, schauen uns die Bilder der vergangenen Monate an und überlegen, was wir nach unserem Zwischenstopp in Moaña machen wollen. Ehrlich gesagt, wir wissen es noch nicht. Im Moment sind wir einfach hier. Hier irgendwo dazwischen. Zwischen Reisen, Alltag, Ruhe, Planen, Wandern und einfach Sein. Es ist schön gerade im Dazwischen zu sein.

Wo bist du gerade?
Am Ankommen von einer Reise, am Vorbereiten auf die nächste oder wie wir, irgendwo dazwischen?

13.11.2020

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. franz

    Halo ihr beide
    Heute morgen als erstes, um zu sehen, ob es Neuigkeiten von Ihnen gibt
    zu glücklich, dass Sie am Meer sind,
    gestern und heute 19 ° hier
    Pass gut auf euch auf und wir werden uns wieder lesen

    alles bestens

  2. Jürgen und Karin

    Hallo Franzi, hallo Soehnke,
    wir haben Euren Weg und den Blog seit unserem Treffen in Nevers weiter verfolgt und waren bisher immer ganz gespannt, was es jeden Sonntag an Neuigkeiten zu berichten gab. Und wir wurden nie enttäuscht!
    Es ist zwar schade für Euch, dass so kurz vor dem (ersten) Ziel Eure Pläne durchkreuzt wurden, aber seid Euch sicher, dass durch die Umstände in diesem nun bald endenden Jahr auch viele andere Pläne von Menschen durchkreuzt wurden. Ihr seid also in guter Gesellschaft….
    Und so wie wir Euch kennengelernt haben und Euren Blog verfolgen, werdet Ihr auch den letzten noch fehlenden Teil vervollständigen. Wenn auch nicht in den kommenden Tagen und vielleicht auch Wochen aber jedenfalls in nicht allzu ferner Zeit. Da sind wir uns ganz sicher!
    Wir freuen uns jedenfalls, dass ihr Beiden es bis zu Euren Freunden geschafft habt und dabei gesund geblieben seid.
    Nun genießt gemeinsam die freie Zeit und das offenbar schöne Spätsommerwetter an der Meeresmündung. Es ist doch so anders als Eure bisherige Zeit im Landesinneren von Frankreich und Spanien. Auch wenn es sich momentan vermutlich merkwürdig anfühlt, genießt auch ein kleines Bisschen den Luxus einer dauerhaften Bleibe, eines abwechslungsreichen Essens und der guten Gesellschaft. Oder seht Ihr es momentan tatsächlich als „Zeit dazwischen“ und seid innerlich unruhig?
    Es folgen sicher neue und weitere „Abenteuer“ auf Eurem Weg wenn Ihr von neuem startet. Und deswegen wünschen wir Euch, dass es wenigstens nach der Zeit mit Euren Freunden und nach den Feiertagen wie geplant weitergehen kann!
    Lasst es Euch gut ergehen, wir sind weiter gespannt auf Eure Nachrichten!
    Jürgen und Karin

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