“I amar prestar aen, han mathon ne nen, han mathon ne chae a han naston ned’wilith“

– J.R.R.Tolkien in Herr der Ringe

Manchmal kommt mir vieles sonderbar vor. Nicht nur Gefühle, Emotionen oder Gedanken in mir, sondern auch Situationen, Landschaften und Empfindungen um mich herum. Vielleicht kommt dir dieses Zitat aus dem Herrn der Ringe auch sonderbar vor. Es ist in Sindarin, jener Sprache der Elben in Mittelerde und bedeutet übersetzt:

„Die Welt ist im Wandel. 

Ich spüre es im Wasser. 

Ich spüre es in der Erde. 

Ich rieche es in der Luft.“

Wandel begegnet mir immer wieder. Oft fühlt er sich sehr seltsam an, dann wieder angenehm und erfrischend. Manchmal scheint er unglaublich fern und plötzlich ganz tief in mir. 

„Ich reise niemals ohne mein Tagebuch. Man sollte immer etwas Aufregendes zu lesen bei sich haben.“

– Oscar Wilde

Alles wandelt sich. Da ist zum einen das ganz Banale. Aus Tag wird Nacht, aus der Hitze der Sonne ein kühler Abendwind, aus blauem Himmel wird ein grauer Schleier, der über das Land zieht. Ich befinde mich immer mittendrin und kann nichts gegen diesen Wandel um mich herum tun. Schritt für Schritt gehe ich den Markierungen nach, freue mich über wechselnde Landschaften und ärgere mich, wenn mir der Regen und die Nässe unter den Poncho kriechen. 

Egal ob ich mich über diesen Wechsel freue oder mich über ihn ärgere, ich kann nichts daran ändern. Wind in der Kombination mit Regen ist einfach ein unerträglicher Wanderbegleiter. Sonnenschein und eine warme Brise dagegen ermuntern zum Verweilen und genießen. 

Ich kann mich über die eine Situation aufregen und mich an der anderen freuen oder aber ich versuche, in beiden Situationen das Gute zu sehen. Das gelingt natürlich nicht immer. Gerade in den letzten Tagen war der Regen so niederdrückend, dass wir uns entschlossen hatten, einige Tage in der Ortschaft Vila do Bispo Pause zu machen. 

In diesen Pausetagen erfolgte ein anderer Wandel. Aus der Weite und Endlosigkeit der Atlantikküste gerissen zu werden und sich in einem kleinen Zimmer wiederzufinden, überforderte mich. Da war keine Ablenkung, kein gutes Buch, kein Gesellschaftsspiel, kein großes Essen, was gezaubert werden konnte. Es waren einfach wir zwei in einem kleinen Zimmer und einer schlecht ausgestatteten Küche. 

Es dauerte ein bisschen, bis ich diese Veränderung innerlich akzeptieren konnte und wir Wege fanden, diese Zeit sinnvoll zu nutzen. So konnten wir Pläne schmieden, Telefonate nachholen, Tagebücher vervollständigen und darüber träumen, was wir wohl machen würden, wenn wir wieder in Deutschland sind. 

Auf der nächsten Etappe des Fischerweges (Vila do Bispo – Sagres) passierte etwas sehr seltsames. Eine äußerliche Veränderung, die zu einer Innerlichen wurde.

Entlang dieser Wegstrecke präsentiert sich die Westküste Portugals noch einmal von einer unbarmherzigen und wunderschönen Seite. Der Weg ist steinig, die Klippen steil, der Wind stellt sich einem in den Weg, während die Wellen weiße Gischt sprühen. Ätzend und doch irgendwie perfekt in einem.

Sogar die Sonne lies sich blicken, während wir auf den weißen Leuchtturm am Kap São Vicente, zuliefen, bei ihm Rast machten und weiterliefen.

Die einzige Straße zum Leuchtturm

Erst nach einem oder zwei Kilometern kam in mir ein sonderbares Gefühl auf. Ich blickte zurück, sah den Leuchtturm auf der Felsenspitze und erinnerte mich daran, dass diese Felsenspitze der südwestlichste Punkt des europäischen Festlandes ist. Dies bedeutete, dass wir Richtung Osten liefen. Dieser äußere Wandel der Richtung erzeugte in mir ein wehmütiges Gefühl. Monatelang lag unser Tagesziel immer westlich oder südlich von uns. Monatelang entfernten wir uns Schritt für Schritt von Deutschland. Wir kannten nur zwei Richtungen: Westen oder Süden. Von einem auf den anderen Schritt, bewegten wir uns plötzlich wieder auf Deutschland zu. Alles veränderte sich, obwohl sich um mich herum, doch nur die Richtung geändert hatte. 

Während wir mit diesen Gedanken und Gefühlen nach Osten laufen, entdecken wir einen weiteren Wandel. Ein Wandel von größerem Ausmaße:

Versteinerte Spuren

Diese Spuren stammen von Dinosauriern. Genauer gesagt von Ornithopoda, die ähnlich wie Vögel auf zwei Beinen liefen und hier einst entlanggekommen sind. Jetzt laufen wir an der gleichen Stelle vorbei und stehen ehrfürchtig neben diesen Zeugen eines gewaltigen Wandels. Ich schließe die Augen, höre das Meer, die Möwen und den Wind und stelle mir vor, wie jene gewaltigen Kreaturen hier nach Nahrung gesucht haben. 

Grüßenvergleich

Jetzt stehen wir kurz vor einem weiteren Wandel: Lagos, das Ende des Fischermen‘s Trail, werden wir in einem Tag erreichen. Dann müssen wir ein neues Kapitel aufschlagen. Wir sind gespannt, welcher Wandel uns in diesem Kapitel entgegenwehen wird.

05.02.2021

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Christine

    Liebe Franzi und lieber Soehnke,
    wieder ein beeindruckender und fesselnder Bericht.
    Vielen Dank dafür.

  2. Franz

    Hallo, glückliche Wanderer,
    Ich hoffe alles läuft gut ab für euch beide und hütet euch vor allem vor COVID, hier viel Regen fast täglich 15 mm und nicht warm. Heute habe ich besonders an euch gedacht, ich habe eine Tour nach Vézelay gemacht und euch gute Stimmung wellen geschickt.
    Franz

    1. Herr Hut

      Lieber Franz,
      wie schön, dass du in Vèzelay warst! Da werden bei uns Erinnerungen an die wunderschöne weiße Basilika wach. Wir schicken dir viel Sonnenschein und wärmeres Wetter hier aus dem Süden in dein kleines Dörfchen 🙂

      Strahlende Grüße,
      Franzi und Soehnke

  3. Luisa

    Liebe Franzi und Soehnke,
    danke für das Teilen eurer Erlebnisse und Gedanken! Sehr inspirierend!
    Gott mit euch!

    1. Herr Hut

      Liebe Luisa,
      Das freut uns sehr zu hören. Vielen Dank dir! 🙂

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