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  • Beitrag veröffentlicht:20. September 2019
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Von Polen aus mit einem Kanu zurück nach Deutschland „wandern“.
Das war der Plan für die freien zwei Wochen im Sommer. Mit einem Faltkanu, wasserdichten Packsäcken, dem bewährten Tarp (ja, es ist das gleiche Tarp wie auf dem Forststeig 2018) und unseren Rucksäcken im Gepäck, machten „Ranger“ und ich uns auf den Weg nach Polen. Wir wollten den kleinen Fluss namens Obra finden und diesem knappe 200km bis zur Oder folgen. Wie lange es dauern würde, wussten wir nicht.

KANUTOUR IN POLEN

Ideenfindung


Das Zielland Polen stand schnell fest. Schwieriger wurde es mit dem Fluss. Wir wollten einen ruhigen, urwüchsigen und wenig befahrenen Fluss finden, auf dem wir innerhalb von 2 Wochen zurück nach Deutschland fahren könnten. Wir gelangten schließlich auf die Seite Faltbootwiki. Hier fanden wir Berichte über das Kanuwandern in Polen, geeignete Flüsse und deren Länge, sowie Tipps rund ums Faltboot fahren.

Ein Faltboot ist ein Boot, welches aus einer Bootshaut und einem Innengerüst besteht. Das Innengerüst lässt sich zerlegen, sodass ein einfacher Transport des Bootes möglich ist. Die Bootshaut besteht dabei aus einer strapazierfähigen flexiblen Plane.

Wir waren mit dem Ally Faltboot Kanadier* unterwegs


Der Bericht über einen, von Bäumen umwucherten, abgelegenen und unbekannten Fluss namens Obra lies uns genauer nachforschen. Dieser Fluss liegt im Westen Polens und ist mit dem Zug halbwegs gut erreichbar. Die Passagen über blockierende Bäume aufgrund vieler Biber und einigen Umtragestellen ignorierten wir. Stattdessen wurde die Zugverbindung gebucht und es ging los.

Hut in der Hängematte
Hut ruht

Die Anreise

 

Wir fahren mit dem Zug über Berlin nach Zbąszyń in der Region Großpolen. Mit dem Zug zu reisen sind wir bereits vom Malerweg gewohnt. Auch diesmal klappte alles bestens. Unsere Endstation liegt direkt an der Obra und besitzt einen kleinen Supermarkt. Nachdem die Vorräte aufgefüllt sind, beginnt die Suche nach dem Fluss. Mit unseren großen Rucksäcken ziehen wir natürlich die interessierten Blicke auf uns.
Eine ältere Dame deutet am Zebrastreifen weist uns mit ausgestrecktem Arm den Weg in eine Seitenstraße. Am Ende dieser Straße liegt von Schrebergärten umgeben ein kleiner Fluss: die Obra.

 

Ob sie uns bis zurück nach Deutschland tragen wird ?

Faltkanu in Polen
Faltkanu zusammengepackt
Faltkanu zusammengebaut
Faltkanu aufgebaut
Ranger auf Faltkanu
Ranger als Steuermann

KANUWANDERN AUF DER OBRA

Die ersten Kilometer


Auf 110 Kilometern windet sich die Obra durch eine urwüchsige Landschaft. D
as Ufer ist gesäumt von meterhohem Schilf, in dem eine Vielzahl von Vögeln nisten. Der Gesang von Rohspatzen, Zilpzalpen und unbekannten Vögeln wird uns die gesamte Fahrt über begleiten. Majestätisch fliegen Graureiher auf, sobald sie unser Gefährt entdecken. Wir versuchen möglichst wenig Geräusche zu machen und genießen die Schönheit um uns herum. So fahren wir schweigend weiter, bis sich die Obra weitet und einen großen See mit kleinen Inseln bildet.

 

Die erste Nacht verbringen wir in unseren Hängematten* auf einer dieser Inseln im See Jezioro Lutol. Das erste mal schlafe ich in einer Hängematte und muss gestehen, es ist sehr viel bequemer als auf der Isomatte zu liegen. Dank des Mückennetzes konnte ich auch beruhigt und erholsam schlafen.

Ab dem zweiten Tag merken wir, dass die bereits erwähnen Biber fleißig ans Werk gegangen sind. Immer wieder müssen wir um Baumhindernisse manövrieren. Zu weil steigen wir aus und schieben das Kanu vorsichtig durch die engen Passagen, in denen spitze Äste unter der Wasseroberfläche drohen die Bootshaut zu durchstechen. Hier sind schnelle Reaktionen und gute Absprachen gefordert.

Auf diese abenteuerliche Weise durchfahren wir die Landschaft. Einige male landen wir an, um über das hohe Schilf hinauszublicken. Außer Felder und entfernte Wälder sehen wir nichts. Dafür versetzen uns die unzähligen Eisvögel in Erstaunen. Die kleinen blauen Luftakrobaten schwirren an uns vorbei und verstecken sich im Schilf, sobald wir kommen.

Entenfamilie

Nach der Stadt Miedzyrzecz

 

So vergehen die nächsten zwei Tage, bis wir durch die größere Stadt Miedzyrzecz fahren und unsere Vorräte mit frischen Zutaten auffüllen. Nach der Stadt tauchen wir in einen wahren Urwald ein. Das Schilf  wurde von Büschen abgelöst. Abgestorbene Bäume liegen im Flussbett und bilden mit Treibgut schwimmende Inseln. Nur das leise „platsch“ Geräusch unserer Paddel stört die Idylle

Wir fühlen uns wie Entdecker. Wie einsame Trapper auf der Suche nach einem Weg. Dabei befinden wir uns mitten in Europa, in Polen nahe der Deutschen Grenze. Doch die Unwegsamkeit des Flusses und die Stimmen der Natur verstärken dieses Gefühl, das ich habe, wenn ich knietief im Wasser stehe und den abgestorbenen Ast einer Baumes zersäge. Abenteuer.

Oft müssen wir nicht sägen. Der Wasserstand ist oftmals perfekt. Mit perfekt meine ich, dass wir viele Hindernisse gerade so unter- oder überwinden können ohne Umzutragen. Wäre der Wasserstand 5cm höher oder tiefer gewesen, hätten wir keine Chance gehabt.

Der See Zalew Bledzewski


Auch ohne Bäume kann das Kanuwandern anstrengend sein. Der See Zalew Bledzewski begrüßt uns mit frischem Wind. Mühsam kämpfen wir uns am östlichen Ufer entlang, immer darauf bedacht in den Wind zu fahren, ohne von ihm erfasst zu werden.
Völlig erschöpft landen wir in einer kleinen Bucht nahe dem Ende des Sees an und schlagen unser Tarp* für die Nacht auf.

Die Menschen in Polen sind sehr freundlich und zuvorkommend. Dies zeigte sich auch hier auf diesem kleinen Biwakplatz. Wir hatten gerade unser Tarp aufgebaut und die Hängematten gerichtet, als ein Auto auf den kleinen Platz fuhr ( irgendwie muss es durch die Bäume manövriert worden sein). Ein Ehepaar stieg aus und begrüßte uns sogleich. Mit Händen und Füßen erfuhren wir, dass sie ihren Hochzeitstag beim nächtlichen Angeln feiern würden. Kurzerhand luden sie uns ein. Wir stießen mit Sekt an, äßen leckeres Süßgebäck, lachten viel und warteten gebannt auf den großen Fang. Letzterer blieb zwar aus, aber dies tat der guten Laune keinen Abbruch. Spät nach Mitternacht schliefen wir ein.

Das Ende des Sees versperrt ein altes Kraftwerk. Die 150 Meter sind schnell umgetragen. Nicht so schnell kommen wir auf der folgenden Strecke vorwärts. Unzählige Biber müssen hier Bäume gefällt haben. Keine 50 Meter ohne Baumhindernis!
Irgendwann bin ich geübt im schnellen Abspringen vom Kanu. Ebenso schnell laufe ich über den Stamm und springe zurück in unser Gefährt. So vergeht der Tag.

Die Mündung der Warta


Nach 110 Kilometern mündet die Obra schließlich in die Warta. Zuvor mussten wir uns ca. eine Stunde mit Axt und Säge durch das Zweiggewirr eines abgestorbenen Baumes kämpfen. Dann verlassen wir die abenteuerliche Obra und nehmen auf der Warta fahrt auf.

Hut auf der Warta
Baum und Himmel
Kuh trink am Fluss
Outdoor Wasserfilter unterwegs Wasser aufbereiten in Polen

90 Kilometer trennen uns noch von der Oder. Diese Strecke legen wir dank einer hohen Fließgeschwindigkeit und keinem Schiffsverkehr in nur zwei Tagen zurück. Kein Vergleich zur Obra! Die Landschaft ist geprägt von ausgedehnten Kuhweiden und gelegentlichen Dörfern. Nicht mehr der abenteuerliche Flair, dafür aber eine schöne Abwechslung und eine schöne Schlussetappe. In der Grenzstadt Kostrzyn nad Odrą gehen wir an Land.

ALLE INFOS ZUM KANUWANDERN AUF DER OBRA

Länge

Die von uns befahrene Gesamtstrecke beträgt knappe 200 km. Du kannst diese individuell verkürzt. Hierfür bieten sich die Orte Bledzew (ohne Bhf) oder  Skwierzyna (mit Bhf) an der Mündung der Warta an.

Navigation / Karten

Die Obra durchläuft mehrer größere Seen. Diese sind sehr verschlungen und stellenweise mit Schilf überwuchert. Zudem gibt es ein System zusammenhängender Seen, die über Kanäle miteinander verbunden sind. Damit du nicht in einem solchen System verloren gehst, schau dir den Verlauf der Obra vorher genau an. Uns haben die Karten von Google absolut gereicht. Diese hatten wir ausgedruckt und wasserdicht verpackt mit dabei.

Anforderungen

Du solltest einiges an Ausdauer und Frustrationstoleranz mitbringen, wenn du die Obra befahren möchtest. Die vielen Baumhindernisse rauben einem viel Kraft, die man eigentlich zum Paddeln braucht. Zudem erscheinen die Hindernisse gerade im unteren Flussabschnitt unaufhörlich. Hier haben wir des öfteren einfach Rast auf einem der Baumstäme gemacht, um die Natur zu genießen und Kraft zu tanken.

Anreise

Die Anreise mit der Bahn ist absolut unproblematisch. Du musst lediglich einmal Umsteigen, wenn du von Berlin bis nach Zbąszyń fährst. Vorteil mit der Anreise per Zug: Du kannst direkt vom Ziel nach Hause fahren, ohne dein Auto irgendwo abholen zu müssen.

 

Übernachten

Wir haben jede nach in Hängematten* unter unseren 3m x 3m Tarp* geschlafen. Es gibt einige offizielle Biwakplätze entlang der Obra:

 

Flusskilometer 82: Biwak Gorzyca
Flusskilometer 51: Biwak Rańsko
Flusskilometer 4: Lisia Polana
Flusskilometer 1: Kemping Nad Obrą

 

Wir haben ansonsten in der Nähe der Obra und Warta freiübernachtet.

 

Wie immer gilt hierbei: Hinterlasse alles besser, als du es vorgefunden hast!

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Wasser und Verpflegung

Dank der größeren Städte Miedzyrzecz an der Obra und Gorzów Wielkopolski (Landsberg) kann man bequem Vorräte auffüllen.

 

Für die Trinkwasserversorgung hatten wir Wasserfilter* und Chlortabletten* dabei.Beides hat uns gute Dienste geleistet. Zusätzlich haben wir jeweils einen großen 5L Wasserkanister in den Städten gekauft. Dieser war auf der Warta auch notwendig, da wir das Wasser hier nicht mehr trinken wollten. Die nahen Kuhweiden mit den vielen Trinkstellen der Kuhe am Wasser sprachen eindeutig dagegen.

Warst du schonmal mit dem Kanu unterwegs?

Welche Erfahrungen hast du gesammelt auf Flüssen zu „wandern“?

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